Stress-Habituation, Körperform und kardiovaskuläre Mortalität
Leiter der Klinischen Forschungsgruppe “Selfish Brain”, Universität zu Lübeck
Die Selfish-Brain-Theorie beschreibt die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, die Energieversorgung des Organismus derart zu regeln, dass es vorrangig den eigenen, im Vergleich mit anderen Organen hohen Bedarf deckt. Das Gehirn verhält sich insofern ‚selbstsüchtig‘ – egoistisch, engl. selfish. Die Selfish-Brain-Theorie liefert u. a. einen neuartigen Erklärungsansatz für die Entstehung von ‚Adipositas’. Die Grundlagen der Theorie wurden 1998 gelegt. Interdisziplinäre Forschung konnte die Grundsätze der Theorie inzwischen experimentell untermauern. Die neuesten Studien bestätigen die Vorhersagen der Theorie: Ein ‚Leben in Unsicherheit’ führt dazu, dass sich der Phänotyp von Menschen verändert. Die einen Menschen entwickeln bei chronischem psychosozialen Stress einen ‚dünn-aber-bauchbetonten’ Phänotyp, die anderen einen ‚korpulent-aber-taillenbetonten’ Phänotyp. Erstere erleiden häufiger kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall), letztere sind eher davor geschützt. Der integrative Forschungsansatz der Selfish-Brain-Theorie eröffnet neue mehr-in-die-Tiefe-gehende Interventionsmöglichkeiten zur Beeinflussung von Körpermasse, Körperform und kardiovaskulärer Sterblichkeit.